Lab
PARIS GIACHOUSTIDIS
Ausstellungsdauer
01. April – 06. Mai 2022
Wer ein Gemälde oder eine Zeichnung zum ersten Mal betrachtet, entdeckt nur ausnahmsweise das Besondere daran. Noch schwieriger ist es, die Intentionen des Künstlers, den Ausgangspunkt der Arbeit oder die Themen, mit denen er sich zum Zeitpunkt der Entstehung beschäftigt, zu „lesen“ und somit zu verstehen, worin die Bedeutung der Arbeit für den Künstler liegt. Bei intensiverer Auseinandersetzung ist es meist schwer, zu einer „naiven“, unvoreingenommenen Analyse zurückzukehren: Wir betrachten das, was in der individuellen Perspektive als hervorstechend oder herausragend wirkt oder uns besonders anspricht; andere Aspekte vernachlässigen wir meist.
Paris Giachoustidis macht es uns in der Regel nicht leicht, einen Schlüssel zu seinen Arbeiten zu finden. Wir entdecken ein Neben oder Übereinander von technisch brillanten Schichten, Motiven oder Aspekten, durchaus meist mit einem hohen Anteil an „Malerischem“, gepaart mit technisch unreif oder einfach anmutenden Gesten. Figurative und abstrakte Elemente stehen neben- oder übereinander, Tiefe und Fläche stehen ebenso im vermeintlichen Widerspruch wie klassische Malerei und naive oder Volkskunst. Die Zurschaustellung von Mal- oder Zeichentechniken als Element vieler Arbeiten hat nicht zum Ziel, ein Motiv an sich photorealistisch darzustellen, sondern ist in der Regel eine eigene Perspektive auf im Internet oder im Alltag gefundene Photographien, also eine Form der malerischen oder zeichnerischen Aneignung. Sie werden andererseits durch vermeintlich einfache Striche, Formen und Figuren – stets in einer anderen Technik – „zerstört“, könnte man meinen. Neben einem hohen Risiko des Scheiterns – also einer Vernichtung mühevoller Vorarbeiten in einem künstlerisch gesehen quasi suizidalen Akt – als Ausdruck von Grenzen-Auslotung und persönlicher Implikation des Künstlers, geht es ihm darum, eine eigene Ästhetik zu entwickeln, unsere Sehgewohnheiten zu hinterfragen, uns an die Hand zu nehmen, über Malerei und Zeichnung an sich nachzudenken.
Peter Ungeheuer