Close by, Close up, close... Nähe, sich nähern, nah dran sein, konfrontiert sein, eintauchen, entdecken, wahrnehmen. Olga Jakobs Arbeiten verlangen danach, ‚näher‘ zu kommen, sie zu studieren, ihre Struktur mit den Augen nachzufühlen, nachzuzeichnen. Ihre Werke fordern den Betrachter dazu auf, ihrer Materialität auf den Grund zu gehen, die einzelnen Materialien in den Arbeiten in ihrer Verflechtung zu erkennen, um als Ganzes über sie nachzusinnen und über sie zu sprechen, und auf diese Art neue ‚Fäden zu spannen’. Textilien, Stoffe, Papier, Farben sind die wichtigsten Protagonisten in Olga Jakobs Werken. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um textile Materialien, mit denen jeder Mensch tagtäglich konfrontiert ist. Wir sind umgeben und eingehüllt von Textilien, mit einer Unmittelbarkeit, die für Jakob den Ausgangspunkt ihres künstlerischen Schaffens begründet. Reste industrieller Textilien, alte Werbeprospekte, in großer Masse ausgeworfene und oft in kürzester Zeit wieder als bedeutungslos erachtete Produkte unserer schnelllebigen Alltagskultur. Diese visuelle und textile Überflutung der aktuellen Konsumindustrie wird von Olga Jakob aufgegriffen, indem sie den Textilien mit einer neuen ästhetischen Wertschätzung gegenübertritt, sich mit diesen in eine kritische Auseinandersetzung über deren Ursprung begibt und schließlich einen neuen Kontext und eine andere Bedeutung für sie in ihren Bildwerken generiert. Raum, Zwischenraum, Räume eröffnen oder verschließen, Oberflächen, Rückseiten, Inhalt und Hülle, Vordergrund und Tiefendimension. Die Arbeiten vereinen in sich eine immense Spannbreite an visuellen Eindrücken und erforschen vielfältige plastische Neuinterpretationen des klassischen Bildes auf Keilrahmen. Gazestoffe, die von feinen eingewebten Textilfäden durchzogen sind, bilden eine der aktuellen Werkgruppen in den Arbeiten von Jakob. Je nach Farbigkeit und Bearbeitung und in hoher Abhängigkeit vom wechselnden Lichteinfall wirken diese großformatigen textilen Farbflächen fragil und sensibel oder expressiv, massiv und in sich dynamisch. Der Grundstoff wird von wellenartigen, glänzend changierenden Linien durchzogen. Sie winden sich an ‚offenen Fenstern‘ vorbei, die durch das Heraustrennen der eingewebten Faserstränge aus dem Gazestoff entstanden sind. Auf diese Weise entstehen Räume, die den Betrachter fast magisch anziehen und Fragen über das ‚Dahinter‘ oder ‚Dazwischen‘ aufwerfen. Die Arbeiten, in denen Jakob größere Flächen des transparenten Gazestoffs freilegt und auf diese Weise mit Raum- und Bilddimensionen spielt, erinnern an Rauminstallationen des US-amerikanischen Künstlers Robert W. Irwin. Die Werke lassen durch die Transparenz des Stoffes eine Illusion von Raum und Zwischenraum entstehen, für die die Gaze als eine Membran zwischen Schein und Wirklichkeit fungiert. Durch die Verwendung der unterschiedlichsten Materialien, Formate und Farbigkeit besitzen die Arbeiten der Künstlerin mal mehr einen installativen, einen Gemälde- oder einen plastischen, beinah bildhauerischen Charakter. Dies zeigt sich vor allem in der Werkgruppe der monochrom wirkenden Bildreliefs. Diese Reliefs arbeitet Jakob aus Stoffen heraus, die mit in Kleister eingeweichtem Seidenpapier aus recycelten Papieren überzogen sind. Das ‚Innere‘, das ‚Skelett‘ des jeweiliges Bildes wird wie von einer Haut durch die sensibel und fragil anmutende Papierschicht bedeckt, verhüllt, bewahrt und geschützt. Auch bei diesen Werken wird das Wesen der Arbeiten von Jakob deutlich, indem sie plastisch gewordene Fragen zu Materialität, Räumlichkeit und Alltagskultur an den Betrachter richten.
Pia Nika Dziedzitz