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Weiblichkeit, Blut und Flora, aber auch Zerstörung, Sehnsucht und Verzweiflung sind einige der Motive, aus denen Klara Virnich eine tiefe Schönheit schöpft. Ihr Oeuvre reicht von Malerei über skulpturale Arbeiten bis hin zu Performances und Videoarbeiten, die sich in einem ständigen Dialog gegenseitig befruchten und sowohl einzeln als auch intermedial verschränkt wahrgenommen und gedacht werden können. Auf der Basis kulturell etablierter Topoi erschafft sie traumhafte, unbewusst wirkende Welten, die sich mit subtilen bildnerischen Mitteln in unsere Realität drängen und zu märchenhaften, morbiden Horrorszenarien werden. Besonders deutlich wird dies in ihren performativen Arbeiten. Die immer wiederkehrenden Anspielungen auf ikonische, aber auch stereotype Frauenbilder werden in eine persönliche Geschichte verwandelt, in der sich ihre Konnotationen umkehren. Eine weibliche Perspektive wird dem männlichen Blick entwendet und umgekehrt dem männlichen Körper auf die gleiche Weise aufgezwungen. Besonders deutlich wird dies in Virnichs malerischen Arbeiten, wie der Gruppe "Femmes Aquarelles" (Aquarell auf Papier & Kappa, fortlaufend). So wird die vermeintliche Zerbrechlichkeit des fleischlichen Körpers und der eigenen Psyche auch als Widerstandsfähigkeit entlarvt. Performativ schlägt sie mit einem Hammer auf Leinwände, die sie zuvor mit einer dicken Schicht Polyesterharz überzogen hat. Zurück bleiben Risse, die sich wie Blüten durch das glasige Material ziehen. Spuren von Gewalt werden zum ästhetischen Mittel und hinterlassen beim Betrachter eine beunruhigende kognitive Dissonanz. Die Arbeit "Van" (Anthropometrie, Lippenstift auf Fächer, 2021/22) besteht aus zahlreichen Anthropometrien von Vulven, die mit Hilfe von Lippenstiftfarbe kussartige Abdrücke auf 100 Seidenfächern hinterlassen haben, die sich wie Schmetterlinge vor unseren Augen ausbreiten. Wir werden sowohl an die fast bedrohlich roten Münder in Virnichs Frauenporträts erinnert als auch an die tiefblauen Anthropometrien von Yves Klein, in denen er Frauenkörper zum Pinsel objektivierte. Auch hier findet eine Umkehrung der kunsthistorischen Konnotationen des weiblichen Körpers statt, und zwar in Form von Farbe (Blau zu Rot), Medium (Seidenfächer statt Papier) und Verfahren. Nicht nur wegen der besonderen Haptik ihrer Ästhetik, die sich aus ihrem Materialfetisch ergibt, haftet ihren Arbeiten eine überbordende Erotik, sondern auch Gewalt und das Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz, Intimität und Voyeurismus an. Aus diesen komplexen Strukturen lässt sich das Gesamtbild einer condition féminine der Gegenwart ablesen.

Banu Alpsü