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Christian Holtmann

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Biographie

*1970 Rheine
2000–2006 Hochschule für Künste Bremen, Meisterschüler Prof. Karin Kneffel
Lebt und arbeitet in Bremen

Preise / Stipendien

2014 Inselmaler, Jahresstipendium der Sylter Kunstfreunde
2011 Berlin Stipendium der Freien Hansestadt Bremen
2007–2008 Stipendium der Künstlerstätte Stuhr-Heiligenrode
2005 Imke Folkerts Förderpreis für bildende Kunst
2004 Preis der „Nordwestkunst“ der Kunsthalle Wilhelmshaven

Einzelausstellungen

2019 Pures Glück, GaDeWe, Galerie des Westens, Bremen
2018 I'm not afraid, Galerie Burster, Karlsruhe
Bromance, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
Talent is cheap, Kunstverein Rothenburg
2016 Der Schweizer Sammler, Studienzentrum für Künstlerpublikationen, Neues Museum Weserburg, Bremen
Kann man davon leben ?, Galerie Kramer, Bremen
2014 tra tra tra, designxport, Hamburg
Style, Sylter Kunstfreunde, Westerland
2013 S/M/L/XL, Galerie Kramer, Bremen
I'm this, I'm that, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
2012 Hard row to hoe (mit Michael Peltzer), Evelyn Drewes | Galerie, Berlin
2011 Easy, Lucky, Free, Kunstverein Cuxhaven
2010 Bad Bank, GaDeWe, Galerie des Westens, Bremen

Gruppenausstellungen

2022 Skulpturale Poesie, Zentrum für Künstlerpublikationen, Weserburg, Bremen
2021 cling together swing together, Galerie Noah, Augsburg
Masters of the Futur", Galerie Kramer, Bremen
Raum für junge Kunst, Kunstverein Achim
2020 Umformung, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
2019 Nachts Allein Im Atelier #6, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
  Ostrale 2019, Dresden
  Bildersprachen, Syker Vorwerk, Syke
  Total Lokal, Peggy Gallery, Bremen
2017 Nachts Allein im Atelier IV, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
Gb Open, Güterbahnhof, Bremen
Trunk, Kunstverein Lüneburg
The Proof Is In The Pudding, Karin Kneffel Und 28 Meisterschüler, Galerie Noah, Augsburg
Troy, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
Luther: Idol & Fetisch, Kunstverein Buchholz
2016 Meistern, Karin Kneffel Meisterklassen, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
2015 Nachts Allein im Atelier, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
15 Jahre Preis Der Nordwestkunst, Kunsthalle Wilhelmshaven
Knotenpunkt 2015, Affenfaust Galerie, Hamburg
Raumstationen, Kunstverein Hannover
Millerntor Gallery #5, Millerntor Stadion, Hamburg
2014 Karin Kneffel Und Meisterschüler, Kunstverein Lippe, Detmold
Hobo My Way, Ostfriesland, Berlin
Head And Shoulders, Haus Coburg, Delmenhorst
Notausgang Am Horizont, 8. Bremer Kunstfrühling, Bbk, Bremen
2013 Junge Kunst, Sparkasse Karlsruhe Ettlingen, Karlsruhe
Junge Positionen, Mit Evelyn Drewes | Galerie, Offenbach
P/Art, Producers Artfair, Hamburg
2012 Made In Germany, Mit Galerie Popartpirat, London
Index 12, Kunsthaus Hamburg
Hard Row To Hoe, Galerie Popartpirat, Berlin
Endstation Künstler, Ostfriesland, Berlin
Delikates, Ostfriesland, Berlin
2011 Rund & Eckig, Galerie Gavriel, Bremen
Nachts Allein Im Atelier, Galerie Popartpirat, Hamburg
Relax, Kreuzberg Pavillon Neuköln, Berlin
Vol.1 - Drawings, Sounds & Ambiences, Projekt Der Hbk Braunschweig, Cuxhaven
2010 33. Bremer Förderpreis Für Bildende Kunst, Städtische Galerie Bremen
85. Herbstausstellung Niedersächsischer Künstler, Kunstverein Hannover

Wahlverwandtschaften, Christian

Ein talentierter Maler im besten Mannesalter, wir wollen ihn Christian nennen, wollte berühmt werden. Wie so viele junge Künstler hatte er eine Menge Selbstzweifel. Das ist normal. Christian bewarb sich um den Preis der Nordwestkunst 2004. Junge Künstler müssen sich um solche Preise bewerben, denn wenn sie mal 35 sind, werden die Chancen geringer, bei zeitgenössischen Wettbewerben noch berücksichtigt zu werden. Christian war 34, es war also höchste Zeit. Die Kunst liebt junge Kunst und schöne Körper. Sein Können brachte ihm den Preis ein, zu Recht, daher kannten wir uns, denn ich leitete damals die Kunsthalle Wilhelmshaven. Christians Kunst kam mir immer auch wie eine Reise in meine eigene Vergangenheit vor – Jungskunst eben, die poppig bunt von den Verwirrungen, Wahrnehmungen und Wünschen einer Existenz als nie ganz erwachsen werdendes männliches Wesen der Gattung Mensch erzählte. Darunter waren kleine Medienbildchen, wie wir sie aus dem Fernsehen, von Zeitungen, Illustrierten oder Videospielen im Kopf hatten, aus Kontextoberflächen heraus- und abgerissen und malend festgefroren, Fragmente eines Hineingeworfen seins in eine grelle, vollgestopfte und immer moderner werdende Welt, die uns ständig etwas zu sagen hatte – aber was bloß? Aber es gab auch schon große Gemälde, die in ihren harmlos, niedlich, bedrohlich zauberhaften Kombinationen absurd für unseren real existierenden Surrealismus zeugten, in dem wir nicht ein noch aus wussten, uns aber wie toll vorkamen. Diese Welt war die alte Bundesrepublik, ein sehr gleiches, sehr befreites, etwas langweiliges Land, das sehr auf Amerika schaute, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, aus dem alle Trends kamen und das die Coolness erfunden hatte. So war das.

So ist es nicht mehr, nicht mehr so jedenfalls, und auch Christian ist natürlich älter geworden, wie ich selbst. Noch immer hat unsere Gegenwart sehr viel mit jener medialen Parallel-, Ersatz- und Fluchtwelt zu tun, die wir im Fernsehen, in Zeitungen, Illustrierten, Videospielen und zunehmend überall gesehen haben, vielleicht sogar noch mehr, das Internet natürlich nicht zu vergessen. Noch immer möchte Christian endlich berühmt werden, so berühmt wie Gerhard Richter (Abb. S. 37), wie Keith Haring, wie Sigmar Polke (Abb. S. 47), wie Joseph Beuys, wie Jonathan Meese (Abb. S. 11), wie Cindy Sherman. Das ist für einen Künstler, der nicht so berühmt ist wie Damien Hirst, wohl normal. Aber Keith Haring starb an Aids, Sigmar Polke starb, Joseph Beuys auch, Jonathan Meese ist, was seine Sozialprognose angeht, als eher grenzwertig einzustufen, und auch Cindy Shermans Cosplay-Selfies, so halluzinatorisch wie ein Tarantino-Film, sind alle etwas bedenkliche Identifikatoren für einen so grundsympathischen Typen wie unseren Titelhelden. Christian, wie ich ihn kennengelernt habe, ist wohl eher kein Held. „I'm not afraid“ (Abb. S. 25, natürlich vor „Red, Yellow and Blue“ – wieder so ein Gigant der Superheldengeschichte der Modernen Kunst) liest sich bei ihm wie das Pfeifen im Walde und sieht auch so aus – etwas dünn auf dem zu großen Feld, aber mit kräftig bemühten Versalien.

Die Kunstgeschichte liebt Superhelden. Wassily Kandinsky etwa, wie er ganz allein gegen den Sumpf des Realismus die Ungegenständlichkeit erfindet und die Welt mit seiner Kunst in das Geistige führt – oder natürlich Pablo Picasso, aus dessen testosterongefülltem Pinsel jeder einzelne Strich sofort den Pablo Picasso riechen lässt, ein Genie seiner selbst. Solche Geschichten sind prägend für Christian und mich wie Superman und Spiderman, die früher auch mal ab und zu in seiner Kunst auftauchten, wie der Weiße Hai, Pac-Man und Lurchi, den ich wirklich immer sehr mochte, weil er so ein tolles Sixpack hatte. Ich konnte Christian verstehen, dass er kurz davor war,„I need ä Dollar“ (Abb. S. 30/31) aus dem Katalog zu nehmen, weil es sich so nach„Bettelkünstler“ anhöre. Doch „I need ä Dollar“ ist ziemlich präzise. Denn das ist doch der Hilfeschrei eines bildungsfernen Prekariatshomies, der seinen dilettantischen Erpressungsversuch mit ausgeschnittenen Lettern auch noch nach der Masche „Ich bin jung und brauche das Geld“ entschuldigt – einfach erbärmlich! Das ist doch nicht unser Christian, der kann gut Englisch und macht so was nicht, so ein anständiger Kerl. Macht er eben doch. Ist sogar von ihm signiert, auf der Rückseite, das Opfa! Was soll er auch machen, wo die Superhelden – Richter, Haring, Polke, Beuys, Hirst und wie sie alle heißen – schon alles gemacht haben? Christian hat gewissermaßen das Pech, Künstler in der richtig späten Moderne zu sein. Martin Kippenberger, der vor Christian auch schon alles gemacht hat, hat mal ziemlich treffend gesagt: „Ich kann mir nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden.“ Das macht doch mal Mut! Gegen Selbstprostitution, Deformationsfetischismus und Exhibitionismus, die im Kunstschweinesystem angesagt sind, ein Zeichen setzen. Nein, politisch engagiert ist unser Christian eher nicht, zumindest nicht in seiner Kunst. Kein Held eben, wie wir.

Aber er ist zweifellos ein nie ganz erwachsen werdendes männliches Wesen der Gattung Mensch, wie so viele von uns, und voller Selbstzweifel. Das ist normal. Das macht ihn mir so grundsympathisch. Tapferkeit hat eine bemerkenswerte etymologische Verwandtschaft zum Bravsein. Im Englischen, das Christian richtig gut kann, ist das für uns noch spürbar: brave, englisch = deutsch, tapfer. Der, der brav ist, ist artig, tut, was von ihm verlangt wird, was getan werden muss, was ein Mann halt tun muss, da sind wir schon bei der Tapferkeit angelangt. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss, brav, tapfer, gegen die Angst und gegen viele Zweifel. Das ist ziemlich aus der Mode und auch politisch ziemlich unkorrekt, weil Männlichkeit mittlerweile nicht völlig zu Unrecht als hochriskante Lebensform gilt. Christian lebt nicht nur in der späten Moderne, sondern auch im postmännlichen Zeitalter. Ziemlich viel Pech für ihn. Er macht daraus, was ein Künstler nun mal tun muss: verwandelt, so gut es eben geht, die Schwierigkeiten und Widerstände in Kunst. Die alten Kämpfe sind allerdings gekämpft: gegen die Borniertheit der alten Herren und Damen, die Ignoranz der Bourgeoisie, die Biederkeit des Establishments. In Ausstellungen zeitgenössischer Kunst sind eigentlich alle betroffen oder angesprochen, das ist ganz wichtig und man kann richtig gut darüber reden. Wenn’s gut läuft, sind die Sammler aus Dubai, die Künstler aus Berlin, die Rede halte ich, die Party ist italienisch und alles ist organisiert von den Schweizern. Wenn’s blöd läuft, sind die Sammler aus Berlin, die Künstler aus Dubai, die Rede halte ich, die Party ist schweizerisch und alles ist organisiert von den Italienern – ein Witz, mehr nicht, wahrscheinlich nicht mal ein guter. Der Sieg der zeitgenössischen Kunst ist ein totaler, leider. Holtmann kämpft nun noch mit der eigenen Bravheit, mit dem Künstler in ihm, ringt ihm Meisterwerke ab, damit, dass Kunst neu zu sein hat, dass ein Künstler doch großartig sein muss, und dieser Kampf ist streng, weil er nun mal nicht Pablo Picasso ist, Gott sei’s gedankt, geklagt und gepfiffen, tapferer Christian, ich mag Dich.

Ein Bild wie „I could do that“ macht mich immer auch ein wenig traurig, traurig im Sinne von melancholisch, aber schon auch traurig. Wer’s sagen muss, kann’s vielleicht doch nicht ...? Unsere Generation – Du bist nur vier Jahre jünger als ich – ist aufgewachsen im postpolitischen Zeitalter. Alles zu viel Post und zu wenig Botschaft. Politik hat uns eigentlich nicht sehr interessiert, wir mussten und sollten Karriere machen, was immer schwieriger wurde. Generation X, die kann keine Helden, warum auch. Manche von uns haben auch verdammt Glück gehabt. Wir sind wohl ein wenig kraftlos, so dass es nicht mal zu einem ordentlichen Namen für unsere Generation reicht. Aber wir sind da. Und wir können uns was kaufen. Das ist unsere einzige Macht, auch das kommt noch aus Amerika. Das hast Du verstanden, Christian, und Du wolltest die Fronten wechseln – vom Konsumentenvieh zum Player. Marketingtechnisch finde ich die Masche mit dem großen Punkt mitten auf den Bildern ganz schön ausgebufft. Erkennt man sofort wieder, verdeckt dennoch etwas und macht deshalb neugierig. Und dann sieht es noch supergeil nach Minimalismus aus, ist aber das Gegenteil. Du hast es echt drauf, hast es kapiert. Die Botschaft wirkt dann umso subtiler: „But you didn’t“ – Ouch! Das hat gesessen. Ja, ich gebe zu, das macht mir Freude, hab Spaß daran und erkenne mich auch immer ein bisschen selbst darin. Du bist ein Trittbrettfahrer, Christian, ein richtig cooler Skater, der auf den großen, einzigen und rasenden Zug der Klassischen Moderne gerade noch rechtzeitig aufspringen will und es uns allen noch einmal so richtig zeigen wird, yeah. Es ist ziemlich spät. Die Postmoderne, schon wieder so eine Post, war immer eine Lüge. Nach der Moderne ist immer in der Moderne gewesen und wir kamen da nicht raus, wie in einer Drehtür, einer Turbine, die die Moderne ja auch ganz schön lange vor sich hergetrieben hat. Doch leider leben wir auch schon im posthistorischen Zeitalter und da schreiben wir einfach nicht mehr die Geschichte der Zukunft, irgendeiner Zukunft wohlgemerkt, denn es geht nicht mal mehr um „keine Utopie“ mehr, sondern das ist schlichtweg wie gar kein Wetter. Apokalypse fühlt sich anders an, heroischer, tragischer. Damit hatten wir nicht gerechnet. Mach doch mal was über Melania Trump, mit der werden wir sicher noch viel Spaß haben, und Du magst Amerika doch auch, das haut rein, denn sogar das Postfaktische hat gerade eben erst begonnen. Aber waren wir nicht immer schon post- faktisch – Lurchi rules!? Hat Kunst nicht immer schon die Fakten, den Realismus abgeschafft und hinter sich gelassen? Vielleicht passiert uns aber tatsächlich gerade etwas, das mit unserer guten alten Moderne nichts mehr zu tun hat, und wir haben es nur noch nicht so richtig mitbekommen. Wir werden sehen. Ob es dann überhaupt noch Kunst geben wird? Wir werden sehen. Yes, No, I don’t know. Und Du auch nicht, Christian.

Daniel Spanke