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Daniel Behrendt

Biographie

*1980 Sterndal
2002–2005 Freie Kunst Fachhochschule Ottersberg, Prof. Hermanus Westendorp
2005–2009 Freie Kunst Hochschule für Künste Bremen, Meisterschüler Prof. Karin Kneffel
  Lebt und arbeitet in Bremen

Preise / Stipendien

2009–2010 Wohn- und Arbeitsstipendium der Künstlerstätte Stuhr/Heiligenrode
2008 Kunstpreis der Bremer Loge zum silbernen Schlüssel, Bremen
2006–2009 Studienstiftung des deutschen Volkes, Bonn
2003–2005 Julien-Stiftung, Hamburg

Einzelausstellungen

2020 Kontrast, Galerie Leuenroth, Frankfurt Am Main
2019 Ruhe (mit Kiyoshi Shiraishi) Palais Für Aktuelle Kunst, Glückstadt
2018 Lab II/2018, Evelyn Drewes | Galerie, Hamburg
  Ombrage, Galerie Leuenroth, Frankfurt Am Main
2017 One Artist´s Show, Galerie Leuenroth, Art-Karlsruhe
2016 Farbe, (mit Tongtad Mahasuwan) Galerie Der Schlumper, Hamburg
2015 Daniel Behrendt, Kunstverein Detmold
  Daniel Behrendt, Galerie Leuenroth, Frankfurt Am Main
2014 Stadtgeflüster, Galerie Marion Scharmann, Cologne
  Urbanität, Gmünder Kunstverein, Schwäbisch Gmünd
2013 Walle, Galerie Leuenroth, Frankfurt Am Main
2012 Reduktion In Der Malerei, Kunstverein Wolfenbüttel
2011 Areal, Galerie Leuenroth, Frankfurt Am Main

Gruppenausstellungen

2019 Wonderwall, Galerie Leuenroth, Frankfurt Am Main
  Konkret Bremen, Städtische Galerie Bremen
2018 Preparing For Darkness, Kühlhaus Berlin, Berlin
  Urbane Begegnungen, Galerie Robert Drees, Hannover
2017 The Proof Is In The Pudding – Karin Kneffel Und 28 Meisterschüler, Galerie Noah, Augsburg
  Immanence. Contemporary Notes, Pictura Groningen
  Nordwestkunst, Kunsthalle Wilhelmshaven
2016 Meistern, Galerie Evelyn Drewes, Hamburg
  Neue Sachlichkeit, Art Docks Galerie, Bremen
  Hello Goodbye, Galerie Marion Scharmann, Cologne
2015 Venue, Galerie Fein Kunst Krüger, Hamburg
2014 37. Bremer Förderpreis, Die Nominierten, Städtische Galerie Bremen
  Head And Shoulders, Städtische Galerie, Delmenhorst
2013 19 Truths, Galerie Marion Scharmann, Cologne
  Salon Salder 2013, Salon Salder, Salzgitter
2012 Junge Kunst Aus Niedersachsen Im Syker Vorwerk, Zentrum Für Zeitgenössische Kunst, Syke
  35. Bremer Förderpreis, Die Nominierten, Städtische Galerie Bremen
2011 Fortuna, Galerie Leuenroth, Frankfurt / Main
2010 Retour De Paris. Unsere Meister Vom Expressionimus Bis Heute, Von Der Heydt- Museum, Wuppertal

Texte

Nicht dekorativ. Fundamental.

Reduktion in der Malerei Daniel Behrendts

Im Blick auf eines der Fassadenbilder von Daniel Behrendt entsteht schlagartig eine Faszination, die mit einem Schrecken verbunden ist, der nur schwer benannt werden kann. Von der bemalten Leinwand geht eine Verwirrung aus, die sich angesichts der lapidaren Sprache dieser Malerei einstellt. Das Bild in seiner Einfachheit schafft sich seine Präsenz wie ein Blitz, eine Epiphanie, und hält den Blick darin unnachsichtig fest. Im Auge und in der Empfindung ereignet sich etwas, das anders ist. Als eine Erscheinung tritt das Bild vor Augen, deren Geheimnis offenbar, aber nur schwer zu erkennen ist.

Behrendts Tableaus einer lakonischen Architekturmalerei besitzen eine selten gesehene Intensität. Mit minimalem Aufwand erzeugen sie größte Sinnlichkeit. In einer Gratwanderung zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion bringen sie Würde und Geheimnis dessen, was wir als banale, anspruchslose, herzlose Architektur der Gegenwart bewerten, zur Erscheinung. Die malerischen Arbeiten sind direkt, freimütig und offen. Die Mauer, der Putz, die Fensteröffnung, die Ecke, sie sind da, ohne Anspielung, ohne Verkleidung, ganz Gegenwart. Aber nicht die Details interessieren. Die Bilder konfrontieren uns mit dem Geheimnis des Offenbaren. Man begreift, dass es sich nicht um eine quasifotografische Dokumentation des „Elends unserer Städte“[1] handelt. 

Auch wenn uns der inhaltliche Fluchtpunkt von Behrendts Arbeit als Darstellung von Fassaden, als Porträts von städtischen Ansichten entgegentreten mag, auch wenn uns die skizzierten Örtlichkeiten in Milieus und spezifische Stimmungen führen, deren Leere und Beklemmung beschrieben sind und die wir zu erinnern meinen, so befremden die Bilder doch dadurch, dass sie dem empirischen Erfassen der Details eine brutale unprätentiöse Lakonie entgegensetzen. Sie transformieren. Sie suchen die Transformation, die Wandlung unserer Sichtweise.

In der Mehrzahl sind Behrendts Bilder zurückhaltend in ihrer Farbe, subtil und meditativ. Behrendt malt zumeist Ton in Ton mit einem wenig abwechslungsreichen Spektrum der Farben, braun, gelb, ocker, schwarz, weiß. Dazu treten selten Spuren von Rot, Blau und Grün. In seiner Farbwahl befleißigt er sich einer Farbharmonie, wie sie die Alten Meister erstrebten, Piero della Francesca oder Massaccio, aber auch wie der 1890 geborene Giorgio Morandi, der die einfachen Gegenstände beinahe abstrakt in unendlicher Wiederkehr, in Wiederholung und Variation, malte. Dass nichts abstrakter sei als die Realität, dieser Satz geht auf Morandi zurück.

Auch Daniel Behrendt wiederholt sich. Fassaden sind die äußere Hülle von privaten Räumen. Fenster in Fassaden markieren die Grenzverläufe der Sphären des Öffentlichen und Privaten. Auf seinen Wegen durch urbane Interieurs sammelt Behrendt Eindrücke und fotografische Momentaufnahmen, von denen er einige auswählt, um sie im Atelier in Malerei umzusetzen: „Erstaunlich“, schreibt er, „in welchen Hinterecken man bewohnte, zumeist brachial und erbarmungslos hingesetzte Betonkuben entdeckt. Wer lebt an einem solchen Ort, wie sieht dieses Leben aus und welche Parallelen lassen sich dort für die Allgemeinheit ziehen?“ 

Daniel Behrendt versteht sich zwar wie die Malergeneration vor ihm, die Generation seiner Lehrer, die den Gegenstand und das Erzählen rehabilitiert hat und der figurativen Malerei zu Aufmerksamkeit und Glanz verholfen hat, als ein Maler, der die Ergründung und Repräsentation von Realität zu seiner Aufgabe gemacht hat. Mehr noch als vielen anderen geht es ihm dabei um etwas Elementares. Denn er ist nicht am Modischen, am Überraschenden oder am Spektakulären interessiert. Seine hochbewusste, reflektierte Kunst bezieht sich auf etwas „Fundamentales“ zurück, das ihm den Zugang zu Ursprünglichkeit und Radikalität  verheißt. Die Materialität und den Bezug zu den einfachen grundlegenden Gegenständen stellt er der eleganten „peinture“ und einer privilegierten Welt entgegen. Ohne Dramatik ist er sich der zerrissenen und schmerzhaft falschen gesellschaftlichen Wirklichkeit bewusst, sie ist ihm ein Impuls seiner Arbeit. Er vermeidet jedes Missverständnis, dass seine Malerei im schlechten Sinne ornamental oder dekorativ sei. 

 So tritt uns in einer Arbeit von 2009[2] die gar nicht so großformatige Leinwand als beige-graue Fläche entgegen, selbst eine Architektur, kaum wahrnehmbar durchzogen von helleren Partien und dunkleren Streifen, fast monochrom mit nur ahnbaren Beimischungen von rötlichen und grünlichen Substanzen. Über die Ränder des Malereiobjekts hinaus hat sich die Materialität der Ölfarbe zentimeterhoch verdichtet und gestaut, Zacken und Rundungen ausgebildet. In der Farbigkeit und Materialität erinnert das Stück an das Fundamentale von Zement, Gips, Kalk und Stein. 

Das Ereignis dieser malerischen Fläche beherrscht das Bilderleben, wenn auch für alle Arbeiten von Daniel Behrendt gilt, dass sie inmitten dieser radikalen Malerei zusätzlich eine Spannung aufbauen, die sich durch eine veristisch gemalte Einlassung, eine unbestechlich präzise vergegenwärtigte schmale Fensteröffnung, eine oder mehrere Fenster, eine Ecke, die Form eines Balkons konstituiert.   

 

In den leeren, von der Materialität der Farbe erfüllten  Flächen vollzieht sich die Schärfung des Bildgedankens am fühlbarsten. Sie vollzieht sich durch die Reduktion auf das Malerische. In Daniel Behrendts Bildern geschieht nichts. Das Ereignis ist die Malerei selbst. Sie zeigt sich als dichte Materialität. Die Massivität der Oberfläche wird durch pastos gerakelte Öl-Farb-Schichten und filigran gehaltene Einbrüche erzeugt. Sie lässt das Gesehene zu dem werden, was es vorgibt zu sein. So bewirken Daniel Behrendts Arbeiten immer auch eine Reflexion von Schein und Täuschung. In einer unbequemen und direkten Art tritt uns vermeintlich Bekanntes als Fremdes entgegen, um im unbekannten Terrain die Fragen nach dem Verhältnis von Realität und Kunst zu stellen.

 

Über die abstrakten Bilder von Barnett Newman hat Jean.Francois Lyotard gesagt, dass sie zu „den Verkündigungen, den Epiphanien“[3] gehören: „Ein Bild Newmans ist ein Engel. Er verkündet nichts, er ist selbst die Verkündigung.“ Daniel Behrendt hat sich mit Barnett Newman beschäftigt, ohne dass er in seiner Arbeitsweise dessen Nähe gesucht hätte. Und doch erreichen einige seiner Bilder bei aller Nüchternheit etwas von dem Pathos des Erhabenen, das Lyotard Barnett Newman zugeschrieben hat. Das Gefühl des Erhabenen, schreibt Lyotard, entstehe aus der kunstvollen Verdrängung eines drohenden Schmerzes, ohne dass dieser je ganz abwesend sein könne[4]. In dieser Bestimmung folgt Lyotard den großen Denkern Burke und Kant. Der Schmerz lauere in solchen Gegenständen, von denen eine bestimmte Bedrohung ausgehe: Dunkelheit, Einsamkeit, Stille - der Tod. Die Kunst des Erhabenen hebt die tödliche Bedrohung auf, nicht indem sie den schlechten Trost der mysteriösen Errettung spendet, sondern indem sie für den Schrecken eine Sprache findet, ihm standzuhalten. 

Den Weg zur Formulierung des Schreckens geht Behrendt durch Entschiedenheit. Das Material der Malerei macht er zum Ort der Inszenierung von Leere, Anonymität, Verlorenheit. Seine Malerei ist schroff, dabei sublim. Die Befreiung aus dem Gefängnis der figurativen Malerei der Vorgängergeneration gelingt ihm dadurch, dass er den erzählerischen Gegenstand verknappt. Er löscht ihn nicht aus, er benutzt nicht die Strategie der Zerstörung wie die Avantgarden am Anfang und in der Mitte des 20. Jahrhunderts[5], sondern er reduziert und führt das Gegenständliche durch die Komposition, durch die Materialität, durch die Größe und den Gebrauch der Farbe in ein Schweigen hinein, in dem die Gegenstände wie die wenigen Worte eines Gedichts auf einer fast leeren Seite erscheinen. Etwas ist da. Man kann auch sagen, etwas ereignet sich.

Mit dieser ästhetischen Wirksamkeit gehört Daniel Behrendt zu den wichtigen Malern der jungen Künstlergeneration.

Barbara Alms

 


[1] Alexander Mitscherlich: Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden. Frankfurt a. M. 1965

[2] Abb. S.

[3] Jean-Francois Lyotard: Der Augenblick, Newman. In: Ders.: Philosophie und Malerei im Zeitalter ihres Experimentierens. Berlin 1986, S. 7-23, S.9

[4] A.a.O., S.16

[5] Alain Badiou unterscheidet als zentrale künstlerische Strategien des 20. und 21. Jahrhunderts die der Auslöschung (Zerstörung) und die der Reduktion (Verknappung). Die erstere von beiden setzt er parallel zum (selbst-)mörderischen und autoritären Gestus des 20. Jahrhunderts. Alain Badiou: Das Jahrhundert. Zürich/Berlin 20