Biographie
*1979 | Nürnberg |
2001–2007 | Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, |
Meisterschüler Prof. Hans Peter Reuter | |
2006–2009 | Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, |
Prof. Elger Esser und Prof. Mischa Kuball | |
Lebt und arbeitet in Nürnberg |
Preise / Stipendien
2017 | Art Award, Nürnberg |
2013 | Portfolio-Review, Düsseldorf Photo Weekend |
2012 | DAAD-Stipendium für Nordamerika |
2011 | Katalogförderung, LfA Förderbank, München |
Einzelausstellungen
2018 | "Sonderfarben", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg |
2017 | "Reality under construction, now is here", Bonn (solo) |
2016 | "deep surface", Galerie Sima, Nürnberg |
Kunstverein Radolfzell | |
"Watchlist I/2016", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg | |
2015 | "Chromophilie", Künstlerhaus Göttingen |
2014 | "Im Dialog", Galerie Sima, Nürnberg |
2010 | "Stadt, Land, Bild", Galerie Sima, Nürnberg |
2008 | "Feldforschung", Zurnikon, Nürnberg |
Gruppenausstellungen
2019 | "Nachts allein im Atelier #6", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg |
"Inception #6, My Husband is Dead", Kunstverein Amrum | |
"Ping-Pong", Skulpturenprojekt, Nürnberg | |
Ostrale 2019, Dresden | |
2018 | "Glimpsing", Auf AEG, Nürnberg |
"#summertime, Galerie Sima, Nürnberg | |
"Raumbewältigungsstrategien", Kulturpalast Anwanden, Anwanden | |
"Urbane Begegnungen", Galerie Robert Drees, Hannover | |
2017 | "Nachts allein im Atelier VI", Galerie Evelyn Drewes, Hamburg |
"november", Galerie Sima, Nuremberg | |
salondergegenwart, Hamburg | |
"nach gestern und über heute", Künstlerhaus Eckernförde | |
"AbstractRealism", Affenfaust Galerie, Hamburg | |
2016 | "Nachts allein im Atelier", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg |
"Darmstädter Tage der Fotografie", Darmstadt | |
2015 | P/ART, producers artfair, Hamburg |
"Forum junge Kunst", Städtische Galerie, Regensburg | |
2014 | "On the road", Photobastei, Zürich (CH) |
2013 | "Peter Weber und Johannes Kersting", Galerie Hauser/Hoffmann, Schaffhausen (CH) |
„Weit draußen und tief drinnen", Kunst Galerie Fürth | |
"Portfolio Review", Düsseldorfer Fototage, Düsseldorf | |
2012 | "Everyday Formalism", Deutsches Haus, New York (US) |
"Elusive Space", Henn Galerie, München | |
2011 | "Reign of Art II", Frankfurt am Main |
"Reign of Art", Berlin | |
2009 | "Tango Mano", Galerie Fucares, Almagro (ES) |
"I'll keep my secret inside", Canon Plex Gallery, Seoul (KR) | |
"six views on photography", Galerie de Zaal, Delft (NL) | |
2008 | "Contemporary Art Ruhr", Kokerei Zeche Zollverein, Essen |
2007 | "How to look at venice", Galeria Contempraneo, Mestre (IT) |
"Start Point", Galerie Klatovy (CZ) |
Texte / Publikationen
Sonderfarben:
Die Sonderfarbe, eigentlich ein Begriff aus der Drucktechnik, wird bei Johannes Kersting poetisch umgedeutet. Sie ist ein Spezialfall des Visuellen, ein irritierender Querschläger, der außerhalb des gewohnten Systems steht, eine sonderbare Farbe. Kerstings Anliegen ist es, Sehroutinen aufzubrechen und mit Bildern zu konfrontieren, deren Beschaffenheit keine eindeutige Antwort auf die Frage zulässt, ob es sich um abgebildete Realität, konstruierte Ordnung oder fragmenthafte Montage handelt. Hierbei „stößt die Wahrnehmung in eigentümlicher Weise auf sich selbst.“1 In einem medialen Schwebezustand fließen sowohl Elemente der Fotografie, der Malerei als auch der Objektkunst ein. Ausgangspunkt des künstlerischen Prozesses ist dabei meist die Fotografie, deren schöpferisches Potential an ihrem Wirklichkeitsgehalt gemessen wird und eben an der Farbigkeit:
„Was nachklingt, ist ein diffuses Unbehagen. Es gilt zu attestieren, dass in den fotografischen Bildwerken von Johannes Kersting die Farbe als ein Moment der Spannung mitschwingt, die unsere Orientierungslosigkeit auf subtile Weise widerspiegelt. Gerade hierin liegt eine Faszination.“2
Denn innerhalb der Fotografie, aber auch darüber hinaus offenbaren Farben die Fähigkeit, das Raumgefüge zu stören oder gar auszuhebeln und das Realitätsversprechen der fotografischen Abbildung auf die Probe zu stellen. Der Malerei wird in dieser Hinsicht mehr Freiheit zugestanden, doch wird auch sie auf die Gesetzmäßigkeiten unserer Wahrnehmungskonventionen hin abgeklopft.
Wörtlich genommen steckt in dem Begriff der 'Sonderfarbe' auch das 'Sonderliche', das meint auch das 'Besondere', das 'Außergewöhnliche'. Und außergewöhnlich ist Farbe in Fotografie in solch einer Prägnanz und Strahlkraft, wie Johannes Kersting sie einsetzt; besonders ist auch der Einsatz der Farbe in den architektonischen Gefundenheiten, die Kersting in seinen Kompositionen verarbeitet und die sich überall finden lassen: im Stadtraum, an einem rostigen Gestänge, im überraschenden Chiaroscuro einer verwitterten Wand oder dem ausgeblichenen Kunststoff eines Werbeschildes. Diese Elemente bergen einen erstaunlichen Moment der Irritation in sich, löst man sie fotografisch aus ihrem realen Kontext. Sie sprengen in Kerstings 'erweiterten Fotografien' wiederum nicht nur metaphorisch, sondern ganz wörtlich den Rahmen des Bildes und werden zurück in der physischen Welt zu Überläufern der Abbildung.
Kleine, alltägliche Beobachtungen, Details unspektakulärer Nutzarchitektur und ungewohnte Lichtsituationen fügen sich zu einem rätselhaften Puzzle der Betrachtung zusammen, neue Bildfindungen der virtuellen Realität, des digitalen Raumen tun ihr übriges um die Verständigkeit des Betrachter zu unterwandern. Letztendlich bleibt festzuhalten, daß „Johannes Kersting einem Erkundungswillen folgt, den spezifischen Tradierungen von Malerei und Fotografie neue Aspekte abzuringen und in einen befreiten Bildbegriff zu überführen.“3
1 Dr. Christoph Schaden: "Der Verdacht der Farbe", in: "Johannes Kersting – Sonderfarben", 2018.
2 ebd.
3 ebd.
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Der Himmel mag ja anderswo blauer sein - sicher aber nicht monochromer. Durch die Reduktion zur Fläche verlieren er und andere Realobjekte augenblicklich ihre Gegenständlichkeit, Größe und wechselseitigen Bezüge. Nach außen ohne Kontext, nach innen mehr Komposition als Körper büßen die Gegenstände auch ihre Inhaltlichkeit ein und bleiben zunächst als Farbfläche zurück. Hat man Gelegenheit Johannes Kersting bei seinen Aufnahmen beizuwohnen, so muss man sich stets rückversichern, ob die abgebildete Szene auch wirklich am aktuellen Standort zu finden ist.
Die Wirklichkeit der Aufnahme und die Wirklichkeit in der Aufnahme - das ist die Gratwanderung zwischen Dokumentation und Konstruktion, die sich in Kerstings Bildern ereignet. Kersting fühlt sich dabei keiner Seite verpflichtet, sondern erkundet vielmehr Mittel und Methoden, die für beide Bereiche den Ausschlag geben können. Tatsächlich dokumentieren manche Bilder auch die Freude an der kontrollierten Ambivalenz, etwa wenn wieder einmal alle Referenzen und Maßstäbe ausgeknipst werden konnten, aber die sachliche Gliederung eine leichte Lesbarkeit suggeriert, oder andersherum, wenn ein kleiner Vogel das sublime geometrische Ensemble aufbricht und es durch seine bloße Anwesenheit mit Größenverhältnissen, Räumlichkeit und Faktizität versorgt. Neben einem solchen Augenzwinkern findet sich aber auch die ehrliche und ruhige Faszination vor der schieren Auflösbarkeit der Realität in reine Komposition und Ordnung. Hier erübrigt sich dann auch die Frage nach dem Abgebildeten.
Kersting verwendet die reale Welt jedoch nicht nur als Formenpool und Setzkasten, sondern auch als thematischen Bezugspunkt. In diesen Bildern sind Container und Abluftschächte nicht nur Form, sondern eben auch Rost und abgeblätterter Lack. Synthetisch und collagenartig sind diese Bilder jedoch in gleichem Maße wie die eher abstrakten Arbeiten und gerade dadurch machen sie deutlich, dass es Kersting nicht nur um die Auslotung der medialen Möglichkeiten der Fotografie oder um konstruktivistischen Formalismus geht, sondern auch um die Dokumentation tatsächlicher und Objekt gewordener Strukturen. Was nämlich bedeutet es, wenn wir die Welt so fotografieren können, dass sich die Gretchenfrage nach digitaler Nachbearbeitung stellt? Wie viel Standardisierung, Modularisierung und artifizielle Formgebung können wir uns erlauben, bevor uns unsere Umwelt allein aufgrund ihrer Erscheinung unglaubwürdig und surreal erscheint? Ist hier eine abgebrochene Betonkante, ein Streifen Rost schon individuell? Was gilt hier der Unterschied zwischen Holz, Asphalt und Wellblech, wenn jedes Material für sich in absolut homogener Beschaffenheit und ebenmäßiger Oberfläche besorgt und ausgetauscht werden kann? Es ist kein großer Schritt mehr vom Rollrasen zur bloßen Fototapete, und Kersting beherrscht es meisterhaft, "seine" Orte, die alle irgendwie zwischen Sunset und Supermarkt oszillieren, als ein Nebeneinander willkürlicher Texturen zu dokumentieren.
Versteht man Kerstings Werk also als Gratwanderung zwischen Dokumentation und Konstruktion, so ist es nicht zuletzt die Liebe zur Farbe, die den Zugang zu beiden Bereichen öffnet. Sie kann nicht nur als analytisch- sachliche Schematisierung gelesen werden, sondern auch unmittelbar emotional vereinnahmen.
(Dr. Patrick Ruckdeschel)
Johannes Kersting
"Sonderfarben"
Werkmonographie
Hrsg. abele-kersting publications, Nürnberg
Auflage: 500
2018, 140 Seiten
Über die Galerie erhältlich